Sechs Tage habe ich Susi auf Zypern bei ihren täglichen Einsätzen für die „Zypernhunde“ begleitet. Susi und ihr Mann nahmen mich in ihr Haus, in ihr familiäres Leben auf und so konnte ich ihren Alltag hautnah erleben. Wer sich jetzt vorstellt, dass man dabei vor allem ganz viel Zeit mit Hunden verbringt, der irrt sich, genauso wie ich mich irrte.
Ich saß in diesen Tagen so viel im Auto, wir sind so unvorstellbar viele Kilometer gefahren, wie ich es niemals erwartet hätte. Wenn man es nicht selbst erlebt dann kann man nicht ermessen, was für einen zeitlichen Aufwand es bedeutet einen Hund für die Reise nach Deutschland vorzubereiten.
Wird ein Hund vermittelt oder hat einen Platz in einer Pflegestelle in Deutschland „ergattert“ ist eine Fahrt zum Tierarzt notwendig, denn die Tollwutimpfung wird nicht standardmäßig auf Zypern durchgeführt und ist Pflicht für die Ausreise. Dafür muss natürlich auch ein allgemeiner Gesundheitscheck durchgeführt werden, eventuell steht noch die Kastration an und auch der Chip muss implantiert werden. Darüber hinaus wird der sogenannte Mittelmeercheck durchgeführt. Ist der Hund gesund und wird geimpft, darf er frühestens 3 Wochen später reisen.
1-2 Tage vor der Ausreise steht eine Fahrt zum Veterinäramt für den abschließenden Reisecheck und Ausstellung bzw. Genehmigung der (vorbereiteten) TRACES Papiere für den Hund an. Das hört sich einfach an, bedeutet jedoch eine Fahrt zum Tierheim oder zur Pflegestelle, um den Hund einzusammeln, dann zum Veterinäramt und im Anschluss zurück ins Tierheim. Die passende Transportbox muss aus dem Lager herausgesucht und manchmal auch noch extra gekauft werden, was eine weitere Fahrt zu einem Petshop bedeutet.
Am Tag der Reise holt Susi die Hunde aus dem PAWS oder der Pflegestelle oder von mehreren Stellen ab, von dort dauert die Fahrt zum Flughafen nach Larnaca so ca. zwei Stunden. Am Flughafen checkt Susi die Hunde mit den Flugpaten ein, schleust die Hunde durch die Sicherheitskontrollen und fährt dann wieder ca. zwei Stunden zurück. Im Schnitt bedeutet ein Flugtag ca. 6 Stunden Einsatz. Während meiner Zeit auf Zypern habe ich zwei Abflüge innerhalb von 24 Stunden miterlebt. Susi war in dieser Zeit mal eben 12 Stunden nur für die Abflüge on Tour!
Wir fuhren also in diesen Tagen etliche Male zu den Tierärzten, fast täglich zum Veterinäramt, und auch täglich ins PAWS und/oder in Pflegestellen. An zwei Tagen haben wir im Tierheim und den Pflegestellen vor allem Hunde fotografiert, gefilmt, vermessen und beobachtet. Auch diese Tätigkeit führten wir stundenlang durch. Das ist eine der ersten Arbeiten, die getan werden müssen, damit die Hunde auf der Webeseite und in den Portalen vorgestellt werden und letztlich vermittelt werden können
Während der vielen Fahrten hat Susi immer einen Blick für die Streuner. Sie beobachtet sie, um notfalls einzugreifen, wenn sie krank oder verletzt sind. Ich habe nicht so besonders viele Streuner gesehen, wie ich es aus den Straßen anderer südeuropäischer Länder kenne. Das liegt sicherlich daran, dass Straßenhunde hier nicht geduldet und in Tötungsstationen verbracht werden.
Ein Zypriot erklärte mir Zypern wäre berühmt für seine Katzen und Esel nicht für seine Hunde. Was mich an dieser Aussage jedoch besonders wunderte ist, warum, wenn man scheinbar stolz auf seine Katzen ist, lässt man sie dann im Elend leben? Susi brachte mich an einem der Tage auch zu einer Katzenauffangstation. Ich muss gestehen, schon der äußere Anblick der „ärmlich“ wirkenden Umzäunung und der erste Blick aus dem Auto auf einige der Katzen war mir an diesem Tag genug. Ich war emotional nicht in der Lage mir die zwar grundversorgten, doch für mich als liebende Katzenmama von sechs Samtpfoten doch elendig lebenden Tiere anzusehen und nicht wirklich etwas tun zu können. Auch die Katzenkolonie, die ich ein paar Tage später sah zerbrach mir das Herz, lauter junge nicht kastrierte Katzen mit struppigem Fell und leckenden Augen, diese Kolonie wird von Tierschützern mit Futter versorg, und wenn genügend Geld vorhanden ist auch tierärztlich betreut.
Im PAWS Tierheim herrschen perfekte Abläufe. Schon ab 6:00 Uhr treffen die ersten ehrenamtlichen Helfer ein und übernehmen selbstständig ihre gewohnten Aufgaben. Das Füttern und das Reinigen der Zwinger und Ausläufe, wenn Zeit ist mit den Hunden spielen oder sie bürsten. Auch regelmäßige Gassigänger gibt es. Dennoch sind es nie genug Hände um alle 150-200 Hunde genauso zu versorgen, wie es in einem Zuhause geschieht. Hierzu nur ein Beispiel. Die Zeckensaison hatte bereits begonnen, wir entdeckten bei unseren Fotografier Aktivitäten mehrere Hunde mit Zecken und meldeten es Pete, dem Tierheimleiter. Zum Glück war mit dem letzten Spendencontainer auch eine große Lieferung Bravecto, ein neues Antizeckenmittel in Form einer schmackhaften Kautablette mit einer Wirkdauer von 3 Monaten eingetroffen. Pete verabreichte den betroffenen Hunden noch am gleichen Tag eine Tablette, die diese wie ein Leckerli liebend gern fraßen. Am nächsten Tag waren die Zecken abgefallen – ein Segen. Pete entschied mit unser Hilfe noch am gleichen Tag die Versorgung aller Hunde zu beginnen. Was in einem Haushalt mit ein paar Hunden in wenigen Minuten erledigt ist, dauerte im Tierheim mehrere Stunden. Das Gewicht jedes Hundes musste geschätzt werden, wir trennten die Hunde einzeln aus den Gruppen und gaben die Tabletten. Nur wenige der Hunde, wie die ängstliche Sadie zum Beispiel, waren misstrauisch. Diese Form des Zeckenschutzes ist eine enorme Erleichterung für den Tierheimbetrieb, denn die Verabreichung der Spot ons läuft längst nicht so einfach. Pete bedankte sich einmal mehr für diese großartige Spende, nicht selten ist für diese Schutzmaßnahmen kein Geld vorhanden.
Darüber hinaus gab es nicht viel für uns zu tun im Tierheim, aber die Tage waren ja auch so schon ausgefüllt, dass kaum Zeit für Streichelstunden mit den Hunden blieb.
Ganz besondere Freude empfand ich, als an meinem letzten Tag im Tierheim ein englisches Ehepaar einen Hund adoptierte. Auch wenn sie den Hund vorerst im Heim zurücklassen mussten, die neuen Eltern waren so überglücklich ihren Schatz gefunden zu haben und Pete war überglücklich bald wieder eine Fellnase in die Freiheit entlassen zu dürfen. Diese Glücks-Momente lassen einen den ganzen Lärm, das Gebelle, die traurigen Hundeaugen, die gestresst umherlaufenden Hunde in den Zwingern ertragen.
Wer, wie Susi, die Tiere im Herzen trägt und seine Augen nicht verschließt, wird jeden Tag mit einer Berg- und Talfahrt der Gefühle leben. Ob es die kleine Hundemama mit ihren Welpen war, die wir an der befahrenen Landstraße entdeckten und der wir nicht helfen konnten, weil die Besitzer uneinsichtig waren. Wir unverrichteter Dinge wieder abfahren mussten, wohl wissend, dass sie vielleicht bald schon einem Unfall zum Opfer fallen. Oder ob es der kleine, alte und wahrscheinlich kranke Hund war, der zu seinem letzten Gang durch seinen Besitzer an der Kette zum Amtstierarzt gezerrt wird, weil er kaum noch laufen kann und dessen Anblick uns das Herz zerriss.
Aber auch die freudigen Erlebnisse bleiben genauso in Erinnerung. Susis eigene drei wundervolle Hunde, die sie und ihr Mann gerettet haben. Die vielen lieben Menschen, die ich getroffen habe, die selbstlos Tiere aufnehmen und pflegen, im Tierheim helfen und immer wieder parat stehen, wenn Tiere in Not sind. Wir haben gemeinsam getrauert und auch wieder gelächelt.
Es war eine Reise der Emotionen, ich werde die Bilder und Erlebnisse in meinem Kopf und in meinem Herzen tragen. Ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte und danke Susi und ihrem Mann nochmals für ihre Gastfreundschaft. Ich habe Energie getankt und fühle mich bestärkt in dem, was ich von der Ferne aus tue, um Susi und das Team auf Zypern weiter zu unterstützen.
Eike Martin